Die Bundestagswahl im September 2005.
(Im Konsens mit dem Kommentar von Stefan Dietrich in der FAZ vom 21.Sept. 2005)
mit dem Titel : Folgen einer Fehlentscheidung
Mein Vorwort:
Nach 30 Jahren Selbständigkeit muß man eigentlich schon etwas an Erfahrung und Urteilskraft gesammelt haben, sonst wäre man als Unternehmer in der heutigen Zeit schon lange weg vom Fenster. Und so habe ich nur ein Mal in meinem Leben bewußt kalkulierend SPD gewählt. Das war vor sieben Jahren, als Helmut Kohl partout nicht abdanken wollte. Nach so vielen Fehlern und Unterlassungen war mir der leidlich erfogreiche Ex-Ministerpräsident Schröder der bessere Lenker der Nation. Alleine die Zweifel über diese komische Partei im Rücken von Schröder, ich meine die SPD, haben meine Freude über den Wechsel getrübt.
Inzwischen sehe ich auch die Geschichtsklitterei über den Einheitskanzler Kohl mit ganz anderen Augen. Jahrelange (16 Jahre) gesellschaftspolitische Versäumnisse bequem verdrängt und in die Zukunft verlagert, die Ostzone (EX-DDR) viel zu teuer gekauft, natürlich auch auf Pump mit gigantisch geschönten Zahlen schmackhaft gemacht, nur zu eigenem Ruhm und eigener Ehre, das war dann doch zu viel des "Guten?". Im Grunde tendiere ich eher zu einem Mix aus CDU/CSU und FDP (ohne das Gido-Spaß-Mobil).
Der Vorgang :
Eine Landtags-Wahl nach der anderen geht für die SPD verloren (Niedersachsen, Schleswig Holstein) und Bundeskanzler Schröder stellt sich vor die Nation und kündigt die Auflösung des Bundestages an. Er habe ab heute nicht mehr die Mehrheit des Bundestages hinter sich. Was das mit den Landtagswahlen zu tun hat, erklärt er nicht.
Das Volk grinst und die Genossen im Bundestag sprechen ihm sofort unisono (also am gleichen Abend noch) das Vertrauen aus. So ein Mist, wie konnte das nur geschehen, Müntefering donnert in die Runde und schon sind wieder (diesmal glücklicherweise) Abweichler auszumachen. Also es fehlt ganz bestimmt eine Stimme. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Dann werden im Kanzleramt Juristen und Funktionäre tagelang beschäftigt, eine wie auch immer konstruierte Erklärung zu erstellen, mit der dem Bundespräsidenten diese vage Behauptung als fundierte Tatsache unterbreitet werden soll.
Alle Medien und Presseorgane schreiben und senden massenweise Satiren und auch bösartige Kommentare über diesen üblen Schmarren, lassen sich aber von den vielen ach so sicheren Wahlprognosen korumpieren, eine Wahl positiv zu finden. Denn endlich käme (todsicher) die CDU mal wieder dran. Warum müssen wir eigentlich wählen, wenn das alles so todsicher ist ?
Der Präsident :
Auch Bundespräsident Köhler sieht die historische Chance, einer Partei seiner Tendenz zum Tron zu verhelfen und läßt sich auf das makabre und absolut durchsichtige Spiel ein. Mehrere Verfassungsrechtler warnen, es sei rechtlich sehr sehr wackelig, weil die Genossen im Bundestag wie auch die Grünen alle nachweislich dem Kanzler ihr Vertrauen ausgesprochen hätten bzw. aussprechen würden, würde er sie fragen. Köhler nimmt diese Einschätzungen und Bewertungen nicht ernst oder nicht an.
Also werden die Argumente verbogen und geglättet und wieder zurückgebogen, bis es irgendwann paßt. Der Bundespräsident erkenne keine zwingenden Gründe, der "Einschätzung" des Kanzlers zu widersprechen und löst formal den Bundestag auf. Ein Aufschrei bei zwei Abgeordneten, leider nur bei einsamen zweien von über 500, sehr beschähmend für unsere Demokratie.
Ich stimme dem Gedanken von Stefan Dietrich (FAZ Kommentator) voll zu, wenn er schreibt, daß es fatal war, wenn sich der Bundespräsident von eigenen Wünschen oder Wünschen anderer leiten ließ. Für mich hat es ganz laut geknallt, als der Präsident (ich sage bewußt nicht mehr "unser" Präsident) ein ebenso fatales wie falsches Urteil aus der Vergangenheit als Vorlage für seine Entscheidung herangezogen hat. Das wissen wir doch heute besser, daß dieses Urteil aus der Kohl Zeit zu den abzulehnenden Merkwürdigkeiten unserer Demokratie gehört.
Das Verfassungsgericht :
Das Bundes-Verfassungsgericht sieht sich mit der Klage zweier Abgeordneter konfrontiert und beratschlagt, was zu tun sei. Aus meiner Sicht war das obeste Verfassungsgericht das letzte Glied in der Kette unserer funktionierenden Demokratie, das mit ganz besonderer Sorgfalt die Argumente hätte prüfen sollen. Es hätte sich wirklich strikt an das Grundgesetz halten sollen und es hätte eben nicht wachsweich interpretieren sollen.
Die gesamte Öffentlichkeit, also so gut wie alle, haben es gewußt, hier wird getrickst, hier wird nicht nur geschummelt, dazu ist die Lage zu ernst, hier wird sehenden Auges gelogen und verdreht, hier wird eine falsches Spiel gespielt. Die Rechte der Abgeordneten, leider nur von zweien wirklich verfochten, wurden zugunsten der "Vermeidung einer eventuellen Staatskrise" abgebügelt. Welch ein durchsichtiges Unterfangen. Wie schnell verspielt ein Staatsorgan seine Glaubwürdigkeit ?
Das Ergebnis Nummer 1 :
Nichts hat so funktioniert, wie es die sogenannten "weisen" Wahlforscher vorhergesagt hatten. Es war vielleicht falsch, nur drei Leute zu fragen, daraus fünf Meinungen zu generieren und das auf 12 Parteien hochzurechnen. Also diese Bundestagswahl ging wirklich gründlich daneben, und dabei ist völlig wurscht, aus welcher Sicht man das sieht. Glücklicherweise oder dummerweise, das ist jetzt die Frage. Zumindest hat keine Partei mit dem jeweiligen Wunschpartner eine ausreichende Mehrheit.
Der ebenso makabre Interessens-Poker geht los. Alle sollen angeblich mit allen reden und alle sollen Ihre Versprechen von gestern brechen oder "vergessen". Und wie so oft, wenn es ans Lügen geht, wird der alte Fuchs Konrad Adenauer zitiert mit "Was kümmert mich mein Gerede von gestern." Glaubwürdigkeit, das stand auf so vielen Wahlplakaten der SPD, wo ist sie hin ?
Ein (noch) Bundeskanzler, der die Mehrheit seiner Partei (der Fraktion) nicht mehr hinter sich weiß, also das war vor der Wahl, hat sie ganz plötzlich wieder entdeckt, nach der Wahl und will wieder weiter regieren.
Ja, wo hat sie denn, also die Mehrheit nur gesteckt ? Hat er die um die Ecke geparkt ? Das ist alles so unglaubwürdig durchsichtig und es stinkt aus allen Ritzen, dieses falsche Spiel.
Das Volk hat ihn abgewählt, den Schröder, und jetzt reißt der die Hände hoch und posaunt lauthals: Die neue Regiereung könne sowieso nur er bilden und auch nur unter seiner Kanzlerschaft. Und der greise Müntefering erkennt völlig überraschend nach 50 Jahren Bundestag, daß ja die CDU und die CSU völlig getrennte lokale Parteien seien und somit nur die SPD als stärkste Partei den neuen Regierungsauftrag hätte. Was für ein übles rotes Theater.
Das Ergebnis Nummer 2 :
Nichts ist schlimmer, als die Erkenntnis und der Frust, daß der Manipulation des Grundgesetzes Tür und Tor geöffnet werden mit allgemein akzeptierten Präzedenzfällen, wie man das Gesetz bewußt bricht bzw. trickreich umgeht.
Im Klartext heißt das doch, Lügen und falsches Spiel sind von jetzt an hoffähig. Das war doch so prägnant, daß der normale Bürger mit mittlerer Intelligenz sich sagt, warum soll ich mich überhaupt noch bemühen, nach diesen Gesetzen zu leben, wenn es die Oberen so deutlich vor machen. Das Rechtsempfinden sowie das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung hat einen langfristig spürbaren herben Schlag erlitten, einen Knacks, der uns noch sehr aufstoßen wird.
Unser Präsident ist nicht neutral und nicht objektiv und er vertritt die Interessen einer parteipolitischen Teilbevölkerung. "Wie gut, daß seine Rechte arg begrenzt sind, dann kann er damit wenigstens kein größeres Unheil anrichten." Wenn sich diese Denke bezüglich des Präsentenamtes durchsetzt, dann steht unsere Demokratie auf dem Spiel oder mindestens vor größeren Problemen.
Unser oberstes Verfassungsgericht mißachtet die Verfassung zugunsten einer kurzfristigen Befriedigung des Neuwahlgedankens. Ist das nicht extrem kurzsichtig gedacht.
Das verlockt doch geradezu, die verführerischen Gedanken eines Berlusconi mal zu durchleuchten, also man könne ja auch mal dies oder jenes . . . . . . . .
Neuwahlen :
Ist das Volk zu dämlich, der "richtigen" Partei die richtige Anzahl von Stimmen zu geben, dann muß es eben nochmal Wählen. Kostet nur 50 Millionen Euro, das zahlt aber dieses dämliche Volk selbst. Und klappt es wieder nicht, dann muß es eben noch nochmal wählen, wieder 50 Millionen Euro im Eimer. Und evtuell auch noch ein drittes Mal und ein viertes . . . . . .
Ein Scherz denken Sie ??
Das ist leider keine Parodie oder Sataire, das ist die bittere brutale Realität. Heide Simonis wird dem Müntefering (so munkelt man) noch ewig dankbar sein, für den Tip (oder die Erpressung), es sogar vier mal mit der Ministerpräsidenten-Wahl (und diesen blöden Abgeordneten) zu versuchen und dann erst schamesrot den Saal als endgültig besiegt zu verlassen.
Ich hatte großen Respekt vor Frau Simonis und ihrer Leistung bis zu diesem Abend. Wie kann man (Frau) sich so erniedrigen, und zugunsten einer Partei seine gesamte Selbstachtung weg werfen und sich so demütigen lassen. Wer immer es war, er hat den Willen des Volkes als einziger wörtlich genommen und ernst genommen und Rückgrat gezeigt.
Er genießt unbekannter Weise meine Hochachtung auch in der SPD, genauso wie auch die sogenannten Abweichler in der SPD. Heide Simonis und die SPD wurden in Schleswig Holstein definitiv abgewählt und sie wollte es nicht wahr haben bzw. sie wollte es wissen. Jetzt weiß sie es.
Die Perspektive :
Lügen haben kurze Beine und redlich währt am längsten. Das ist meine kleine Hoffnung. Das galt für die CDU damals und das gilt für die SPD heute. Die Strafe kommt auf dem Fuße und ich glaube fest daran, Schröder wird diese Wahl noch einmal verfluchen.
Und wir werden uns noch lange daran erinnern, daß mit dieser Wahl 2005 das Lügen und das falsch Spielen Gang und Gäbe geworden ist, daß unser Präsidentenamt unter Köhler im Jahr 2005 erheblichen Schaden genommen hat und unsere obersten Richter offensichtlich korumpierbar geworden sind.
Um welchen Preis bitte ? Und das sollen unsere besten Köpfe sein (gewesen sein) ?
Es ist keine gute Perspektive für die kommenden schweren Jahre und sie deprimiert und demotiviert mich ziemlich. Wenn Sie in diesen Tagen die Auslandskommentare der großen Zeitungen über diese Farce lesen, dann tritt auch Ihnen die Schamesröte ins Gesicht, wie wir überkorrekten Deutschen uns hier so bloß gestellt haben mit unserer deutschen Gründlichkeit und Gerechtigkeit.
Wie schreibt der FAZ Kommentator:
Obwohl es an Warnungen nicht gefehlt hatte, verschlossen beide Institutionen die Augen vor den langfristigen Folgen dieser Entscheidungen.
20. November 2005